Die Entstehung der Welt

Die Entstehung der Welt in den abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam ist ein zentrales theologisches Thema, das sich stark auf den Schöpfungs-bericht bezieht. Obwohl die Narrative Gemeinsamkeiten aufweisen, gibt es auch Unterschiede in der Interpretation und Bedeutung. In allen drei Religionen steht Gott im Mittelpunkt als der Schöpfer und Ursprung aller Dinge. Der Schöpfungsakt wird als Ausdruck göttlicher Macht und Weisheit verstanden. Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die Schöpfungserzählungen in diesen Religionen und beleuchtet Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede.

Judentum: Die Schöpfung in der Tora

Die Erzählung der Weltschöpfung im Judentum findet sich im ersten Buch der Tora, dem Buch Genesis (Bereschit). Sie beschreibt, wie Gott die Welt in sechs Tagen erschafft und am siebten Tag ruht. Der Schöpfungsakt beginnt mit dem berühmten Satz „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1).

Die Schöpfung ist in sechs Phasen gegliedert:

  1. Tag: Licht wird erschaffen, Tag und Nacht werden getrennt.
  2. Tag: Gott schafft das Firmament und trennt die Wasser über und unter dem Himmel.
  3. Tag: Das Land erscheint, Pflanzen und Vegetation werden erschaffen.
  4. Tag: Sonne, Mond und Sterne werden zur Unterscheidung von Tag und Nacht geschaffen.
  5. Tag: Die Tiere des Wassers und die Vögel der Lüfte werden erschaffen.
  6. Tag: Die Landtiere und schließlich der Mensch, als Krone der Schöpfung, werden geschaffen.

Besonders wichtig im jüdischen Schöpfungsverständnis ist, dass der Mensch als Ebenbild Gottes erschaffen wird. Diese Ebenbildlichkeit verleiht dem Menschen eine besondere Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Er wird zum Hüter der Erde bestimmt und soll sie bewahren und pflegen.

Ein weiteres zentrales Element ist der Schabbat, der siebte Tag, an dem Gott von seinem Werk ruht. Der Schabbat gilt im Judentum als heiliger Tag der Ruhe und Reflexion und ist tief im jüdischen Glauben und in der Kultur verankert.

Christentum: Die Schöpfung in der Bibel

Im Christentum findet sich die Schöpfungsgeschichte ebenfalls im Buch Genesis. Die christliche Version stimmt weitgehend mit der jüdischen überein, da das Alte Testament der Bibel identisch mit der hebräischen Bibel ist. Der Schöpfungsbericht der Bibel wird von Christen genauso gelesen und geschätzt, wobei jedoch die christliche Theologie zusätzliche Interpretationen und Bedeutungen einbringt.

Eine wichtige christliche Lehre zur Schöpfung ist die Idee der Trinität. In der christlichen Theologie wird die Schöpfung nicht nur Gott, dem Vater, zugeschrieben, sondern auch Jesus Christus, dem Sohn, und dem Heiligen Geist. Dies wird im Johannesevangelium besonders hervorgehoben, wo es heißt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1). Hier wird Christus als das „Wort“ Gottes dargestellt, durch das die Welt erschaffen wurde.

Für Christen hat die Schöpfung eine besondere Bedeutung in Bezug auf die Erlösung. Durch die Sünde Adams und Evas, die im Garten Eden beschrieben wird, wird die Schöpfung in einen Zustand des Verfalls geführt. Doch durch das Opfer Jesu Christi, so die christliche Lehre, wird die Schöpfung erlöst und wiederhergestellt.

Der Schöpfungsbericht betont zudem die Güte und Vollkommenheit der Schöpfung. Nach jedem Schöpfungstag wird gesagt, dass Gott sah, dass es gut war. Diese Betonung der Schöpfung als etwas Gutes, das von Gott gewollt ist, prägt das christliche Verständnis von Natur und Umwelt.

Islam: Die Schöpfung im Koran

Auch im Islam gibt es eine detaillierte Schöpfungserzählung, die sich in verschiedenen Suren des Korans findet. Im Gegensatz zu den detaillierten Beschreibungen der sechs Schöpfungstage im Judentum und Christentum sind die koranischen Schöpfungserzählungen weniger chronologisch und mehr verstreut in verschiedenen Passagen.

Im Koran wird betont, dass Allah der alleinige Schöpfer von Himmel und Erde ist und dass Er dies in sechs Tagen vollbracht hat: „Allah ist es, der die Himmel und die Erde und alles, was dazwischen ist, in sechs Tagen erschaffen hat“ (Sure 7,54). Diese Schöpfungstage sind jedoch nicht als wörtliche Tage zu verstehen, sondern können als Phasen oder Epochen interpretiert werden.

Der Koran beschreibt, wie Allah den Himmel ohne sichtbare Stützen erschuf und die Erde ausdehnte, um die Menschen darauf zu setzen. Die Erschaffung des Menschen wird ebenfalls thematisiert: „Wir erschufen den Menschen aus einem Tropfen gemischter Flüssigkeit“ (Sure 76,2). Der Mensch wird im Koran als Kalif (Stellvertreter) Allahs auf der Erde beschrieben, was ihm eine besondere Verantwortung für den Schutz der Erde und ihrer Ressourcen gibt.

Ein zentraler Unterschied zu den jüdischen und christlichen Berichten ist, dass im Islam der Sündenfall keine bleibende Trennung zwischen Gott und Mensch bewirkt. Die Schöpfung bleibt gut, und der Mensch wird von Allah als verantwortlicher Verwalter über die Schöpfung eingesetzt.

Vergleich der Schöpfungserzählungen

Alle drei Religionen betonen die Allmacht und Weisheit Gottes bzw. Allahs und sehen die Schöpfung als geordneten und sinnvollen Akt. Die Welt wird nicht als Ergebnis von Chaos oder Zufall betrachtet, sondern als wohlüberlegtes Werk eines Schöpfers. Die Schöpfungsgeschichte hebt in allen drei Traditionen die Einzigartigkeit und Verantwortung des Menschen hervor, der als Bild Gottes bzw. Stellvertreter Allahs eine zentrale Rolle in der Schöpfung spielt.

Die Unterschiede liegen vor allem in den theologischen Auslegungen. Während im Judentum der Schabbat eine zentrale Rolle spielt, betonen Christen die Erlösung durch Christus als Wiederherstellung der gefallenen Schöpfung. Im Islam wird die Schöpfung als Ausdruck der vollkommenen Macht Allahs dargestellt, wobei die Rolle des Menschen als Kalif eine wichtige ethische Verantwortung mit sich bringt.

 

Fazit

Die Schöpfungserzählungen in Judentum, Christentum und Islam zeigen viele Parallelen, insbesondere hinsichtlich der Betonung der göttlichen Macht und der besonderen Rolle des Menschen. Zugleich gibt es theologische Unterschiede, die sich aus den spezifischen Glaubensvorstellungen der jeweiligen Religionen ergeben. Alle drei Traditionen fordern jedoch Respekt vor der Schöpfung und erkennen den Menschen als verantwortlichen Hüter der Welt an.

 

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